Vor einiger Zeit bin ich über eine Anzeige bei Ebay Kleinanzeigen gestolpert. Dort wurden für einen schönen alten Schreibtisch "Upcycling Künstler" gesucht. Da wurde ich natürlich sofort neugierig und habe Kontakt aufgenommen. Und ich fand heraus, dass die Anzeige von einer Firma stammte, die sich um Entrümpelungen kümmert. Haus- und Wohnungsauflösungen. Und das Unternehmen, das "Entrümpelungen mit Herz" heißt, hat offenbar nicht nur ein Herz für die Menschen, die ihre vier Wände auflösen, sondern es hat auch ein Herz für die Möbelstücke, die entsorgt werden sollen.
Den Schreibtisch habe ich nicht genommen. Aber ich möchte euch heute die Gründerin von Entrümpelungen mit Herz einmal vorstellen. Ela ist der Kopf des Unternehmens. Ihr Herz schlägt für die Umwelt. Und so versucht sie jedes Möbelstück vor dem Container zu retten: Sie kooperiert bei jeder Wohnungsauflösung mit diversen Vereinen, Frauenhäusern, Upcycling-Künstlern, Sozial-kaufhäusern und anderen Abnehmern. Stücke, die sie für upcyclingfähig ansieht, stellt sie auf Ebay für Möbelkünstler ein. Natürlich gratis, nur abgeholt werden müssen sie. Ich finde das Konzept großartig und alleine um Ela einmal kennen zu lernen, entschloss ich mich, eines ihrer angebotenen Möbelstück zu "retten".
Wir trafen uns bei einer Wohnungsauflösung hier in Hamburg und was soll ich sagen, Ela muss man einfach mögen. Und da ich ihre Idee so klasse finde, habe ich ihr einfach mal ein paar Fragen gestellt.
Hallo Ela, hast du gut gefrühstückt? Für deine Arbeit musst du ja wirklich fit sein.
Also viel frühstücken tu ich nicht, viel und oft essen dagegen schon. Körperlich so richtig fit geworden bin ich tatsächlich erst durch die Arbeit. Davor hatte ich meist Jobs, für die ich die meiste Zeit am PC sitzen muss. Das mache ich zwar noch immer, aber nur etwa die Hälfte der Zeit. Während der Auflösungen sind es dann pro Tag etwa 10.000 Schritte, viel Geschleppe, Spenden-Kartons packen, zigmal die Treppe rauf und runter usw. Das hält schon fit. Allerdings muss ich auch gestehen, dass ich oft „Rücken“ habe, weswegen ich mich bald auch wieder beim Rückenzentrum anmelden werde.
Erzähl doch mal, wie du zu deinem Job gekommen bist. Häuser entrümpeln? Du hast doch vorher etwas ganz anderes gemacht.
Stimmt, ich habe vorher unter anderem lange Zeit im Verlagswesen gearbeitet, hatte eine Promotionagentur und zuletzt habe ich viele Jahre in der Musikbranche gearbeitet. Als dann der Markt 2016/2017 ziemlich einbrach, wusste ich, dass es Zeit für etwas Neues ist. Es sollte etwas Sinnstiftendes sein und ich wollte weiterhin mit tollen Menschen zusammenarbeiten und mit dem Herzen dabei sein. 2017 kam mir dann die Idee zu „Entrümpelungen mit Herz“, als ich mich fragte, warum all die schönen Dinge aus den ganzen Haushaltsauflösungen eigentlich immer direkt in der Müllverbrennung landen und ob man daran nicht etwas ändern kann. Ich recherchierte viel und bis auf einige Betriebe, die einen kleinen Teil spenden oder verkaufen, gab es da tatsächlich nichts. Also schrieb ich ein Konzept, machte mehrere Umfragen und merkte schnell, dass die Zeit dafür reif ist. Innerhalb kürzester Zeit habe ich mir ein Team zusammengestellt, alle Versicherungen abgeschlossen, ein neues Gewerbe angemeldet, mir die ersten Abnehmer gesucht und habe einfach angefangen. Ich hatte zwar weder Auto oder Führerschein, noch Startkapital oder Erfahrungen im Handwerk und sonderlich kräftig war ich ebenfalls nicht.. aber ich war mir absolut sicher, dass es genau das ist, was ich machen möchte. Es war also wie so oft in meinem Leben ein Sprung in eiskaltes Wasser und ich freue mich noch immer darüber, dass ich nicht eine Sekunde gezögert habe. Das Konzept wurde von Anfang an gut angenommen und mittlerweile kommen die allermeisten Aufträge über eine durchweg positive Mund-zu-Mund-Propaganda zustande.
Und wie bist du dann auf die Idee gekommen, die Möbel der ausgeräumten Häuser/Wohnungen nicht zu entsorgen, sondern zu spenden?
Das war ja quasi einer meiner ersten Gedanken; Spenden statt wegwerfen. Dass es allerdings so schwierig ist, Möbel und weiteren Hausrat zu spenden, hätte ich nie gedacht! Hamburg ist so überladen, dass es tatsächlich nicht so einfach ist, all die schönen Möbel in gute Hände zu übergeben. Ein echtes Luxus-Problem. Es war viel Arbeit, wirklich seriöse und zuverlässige Abnehmer zu finden, aber mittlerweile kooperieren wir mit 60 Partnern, welche sich regelmäßig kleine und große Spenden abholen. Da allerdings die meisten davon kleine Vereine sind und dementsprechend auch begrenzte Lagerkapazitäten haben, hört die Suche nach neuen Abnehmern nie auf. Wenn eine Auflösung beendet ist, ist das Haus oder die Wohnung leer und bis auf wenige Dinge wurde alles gespendet. Die Vorab-Spendenverteilung nimmt übrigens meist mehr Zeit in Anspruch, als die eigentliche Haushalts-auflösung, weswegen wir auch nicht einen Auftrag nach dem anderen annehmen können, wie andere Betriebe. Ich würde mit der Spendenverteilung einfach nicht hinterherkommen. Mehr Aufträge (und somit mehr Geld) aber dafür auch mehr wegwerfen kommt absolut nicht infrage! Wenn wir einfach alles der Müllpresse überlassen würden, wäre es einer der schlimmsten Jobs, die ich mir vorstellen kann und so ist es einer der schönsten!
Wer sind die Abnehmer deiner gespendeten Möbel?
Die Abnehmer sind sehr bunt gemischt. Wir spenden an Vereine, Frauenhäuser, Einrichtungen für Senioren oder Menschen mit Behinderung, KITA´s, Waldkindergärten oder auch an Sozial-Kaufhäuser, Tierheime, die Flüchtlings- und Obdachlosenhilfe, Upcycling-Künstler etc. Zudem kommen noch sehr viele Kleinstabnehmer, welche von uns Dinge wie Wolle, Stoffe und weitere Handarbeitssachen bekommen. Vor kurzer Zeit hatten wir aus einer Auflösung zum Beispiel 20 große Umzugskartons voll mit Wolle. Diese gingen nicht an einen Abnehmer, sondern an 10 unterschiedliche, damit möglichst viele Menschen etwas davon haben. Für besondere Sammlungen etc. finden wir ebenfalls meist die richtigen Abnehmer. Zum Beispiel haben wir eine riesige Sammlung 40 Jahre alter Wetterkarten an den Deutschen Wetterdienst weitergegeben. Sie werden nun in Offenbach digitalisiert. Viele Programmhefte der 50er/60er-Jahre wurden an die jeweiligen Theater geschickt für das Archiv und ein Karton voll mit bunt gemischten Bierdeckeln ging an einen Craftbeer-Store und es wurde damit der Tresen beklebt. Es ist immer wieder eine Herausforderung und dann einfach schön zu wissen, wenn solche Dinge in genau die richtigen Hände kommen.
Spendest du alle Möbel oder wonach entscheidest du, welches es wert ist, weiter verwendet zu werden und welches nicht?
Ja, es wird alles gespendet, was wir spenden können. Lediglich große Schrankwände, besonders sperrige Kleiderschränke und Mobiliar aus Eiche (-Rustikal) können wir kaum weitergeben und Möbel, die kaputt sind, zu starke Abnutzungsspuren haben oder in denen sich Gerüche festgesetzt haben, bieten wir gar nicht erst an. Dies kommt aber glücklicherweise nur selten vor. Ansonsten findet sich für nahezu alles ein neuer Besitzer. Auch wenn ich für ein Möbelstück manchmal 20 Mails mit Fotos verschicken muss, um den passenden Abnehmer zu finden.
Wie hat sich der Bedarf an gebrauchten Möbelstücken in den letzten Jahren entwickelt?
Einerseits ist Hamburg so überladen, dass es alles im Überfluss gibt. Gib nur mal „Sofa“ in der Kategorie „zu verschenken“ bei eBay Kleinanzeigen ein. Es werden mehrere Hundert (!) teilweise neue Sofas dort angeboten, die sich ein neues Zuhause wünschen. Es ist unfassbar. Auf der anderen Seite gibt es immer mehr Menschen, die durch die Inflation und die Energiekrise in finanzielle Not geraten. Menschen, die bisher von ihrem Einkommen oder ihrer Rente gut über die Runden kamen, müssen plötzlich jeden Cent dreimal umdrehen und da ist so ein Sofa einfach nicht mehr drin. Leider haben die meisten von ihnen auch nicht die Möglichkeit, sich die schönen Möbel, die verschenkt werden, selber abzuholen und wenn wir dann auf die Sozialkaufhäuser verweisen, erfahren wir, dass selbst ein sehr günstiger Preis mit Lieferservice einfach nicht zu stemmen ist. Es ist so traurig!
Wie ist das Feedback deiner Kunden, also der Menschen, deren Häuser und Wohnungen du entrümpelst, auf den Ansatz der Wiederverwertung?
Da tatsächlich alle Auftraggeber uns aufgrund unseres Konzeptes buchen (und durch positive Mund-zu-Mund-Propaganda), ist das Feedback durchweg sehr positiv. Vor allem über die Liste die ich nach jedem Auftrag erstelle, wohin all die schönen Dinge gespendet worden sind, freuen sich alle. Denn erzählen kann man ja viel, aber mit der Auflistung ist alles absolut nachvollziehbar und vor allem hat man ein Bild vor Augen. Das ist für die meisten Menschen ein sehr schönes und beruhigendes Gefühl.
Bekommst du auch Anfragen von privaten Abnehmern?
Ja, sehr viele sogar, es müssen Hunderte sein. Ob es nun eine Seniorin ist, die Wolle sucht, damit sie für obdachlose Menschen Strümpfe stricken kann oder auch ein Rentner, der sich eine warme Winterjacke wünscht. Viele Menschen freuen sich auch über haltbare Lebensmittel oder alltägliche Dinge wie Waschmittel etc. Eine andere Dame sucht Holz zum Verbauen, damit sie Häuschen für Igel fertigen kann oder ein Herr sucht Brennholz, damit er den Kamin nutzen kann, um so Strom / Gas zu sparen. Auch Kerzen geben Licht und Wärme ab und sind derzeit überaus beliebt.
Gibt es auch Möbelstücke, die du selber behältst?
Ja und meine Wohnung sieht ein wenig aus, wie die Villa Kunterbunt. Es stehen mehrere kleine Möbelstücke aus Haushaltsauflösungen hier und es ist ein bunter Mix aus vielen Jahrzehnten geworden. Selbstverständlich schreibe ich dies immer mit in die Auflistung und es sind nie Sachen dabei, die andere Menschen dringend benötigen. So würde ich zum Beispiel niemals eine Waschmaschine für den Eigengebrauch mitnehmen, da es wirklich immer eine Nachfrage danach gibt, von Menschen die sich einfach keine neue leisten könnten. Aber das versteht sich ja von selbst denke ich.
Und zu guter Letzt: Was war der größte Schatz, den du bei einer Entrümpelung gefunden hast?
Das war ziemlich am Anfang und zwar war ich mit Maike in einer Wohnung und das letzte Möbelstück dort war ein 70er-Jahre-Kordbett mit Bettkasten. In diesem befanden sich wie auch im Rest der Wohnung Hunderte neu verpackter Dinge wie Strumpfhosen, Socken, Leggings etc. Mittendrin lag ein kleiner Jutebeutel. Nicht neu und zusammengeknotet, was sofort auffiel. Als ich ihn anhob merkte ich gleich das Gewicht und es klöterte ordentlich. Als wir ihn öffneten fielen uns die Kinnladen runter, denn es befand sich darin eine kleine Truhe voll mit Schmuck und Uhren, vieles davon aus Gold! Uns wurde im ersten Moment etwas übel, aber wir riefen dann gleich den Auftraggeber an, um ihm von dem Schatzfund zu erzählen. Nach Absprache brachten wir alles zu einem Goldankauf und kamen mit über 8.000,- Euro zurück. Diese übergaben wir am nächsten Tag dem Auftraggeber und er gab uns einen guten Finderlohn, welchen ich mit Maike teilte. Was wir aber mindestens genauso schön fanden, war seine Verwunderung darüber, dass wir so ehrlich waren. Er konnte es nicht fassen und war eher verwirrt. Wir denken, dass es etwas bei ihm bewirkt hat und über ein paar Karmapunkte mehr haben wir uns natürlich auch gefreut.
Ela wurde übrigens vor kurzem vom NDR begleitet. Die Reportage findet ihr in der NDR Mediathek hier.
Was aus der Kommode, die ich abgeholt habe, geworden ist, zeige ich euch demnächst. Ich habe mich entschlossen, sie neu zu gestalten, zu verkaufen und den Erlös ebenfalls zu spenden. Noch bin ich nicht dazu gekommen, aber einen kleinen Plan dafür habe ich schon im Kopf. Seid gespannt!
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